Herausforderungen und bisherige Antworten von Energieversorgern

Elektromobilität in der Schweiz

Herausforderungen und bisherige Antworten von Energieversorgern

4. April 2024 agvs-upsa.ch – Die Elektromobilität gewinnt an Fahrt in der Schweiz. Doch trotz des wachsenden Interesses und Engagements der Energieversorger, gibt es noch einige Herausforderungen. Energie 360, BKW und Agrola sind drei dieser Schlüsselakteure, die sich aktiv für den Ausbau der Ladeinfrastruktur einsetzen und innovative Lösungen anbieten. Ilir Pinto


Wenn genügend Lade­infrastruktur vorhanden ist, wird die Eintrittsbarriere für ­E-Mobilität kleiner. Foto: Agrola


Energie 360, mit Wurzeln in der Gasversorgung, ist heute breit aufgestellt und bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen und Produkten an; das Unternehmen mit Sitz in Zürich und Lausanne plant, baut und betreibt Energielösungen sowie Fernwärme und ist führend bei Biogas, Solaranlagen und Holzpellets. Seit 2017 zählt Energie 360 die Mobilität zu seinen Geschäftsfeldern. «Die Elektromobilität wird sich durchsetzen – wenn auch etwas verzögert», ist Martin Kessler, Leiter Verkauf Elektromobilität, überzeugt. Energie 360 ist schweizweit in den Bereichen Immobilien, Gewerbe und öffentliches Laden aktiv. «Wir statten vor allem Miet- und Gewerbeliegenschaften mit Lademöglichkeiten aus und arbeiten mit Partnerfirmen, welche über eine grosse Anzahl Liegenschaften verfügen», so Kessler. Er ist überzeugt: «Wenn genügend ­Ladeinfrastruktur vorhanden ist, wird die Eintrittsbarriere für E-Mobilität nochmals kleiner sein, und auch die Immobilienbesitzer profitieren von der Wertsteigerung.»

Zukünftig überall mit EC-Karte
Mit dem Tochterunternehmen Gofast wird die Nachfrage nach Highpower-Stationen an Hauptverkehrsachsen mit einer Ladeleistung von bis zu 300 kW bedient. Das Unternehmen ist laut Kessler der zweitgrösste Schnelllade-Anbieter nach Tesla. «Unsere Bestrebung ist, dass die Kunden zukünftig überall, nebst Ladekarte und App, auch mit der EC-Karte bezahlen zu können», sagt er.

Garagistinnen und Garagisten, die sich überlegen, ihre Kundenparkplätze mit Ladestationen auszustatten, empfiehlt er eine Mittelschnell- bis Schnellladestation. «Ein Kunde verbringt maximal eine Stunde in der Garage. Damit sich der Ladestand in dieser Zeit markant ändert, muss die Leistung mindestens 100 kW sein.» Eine AC-Ladestation lohne sich allenfalls zum Vorzeigen. «Wenn man schon ein E-Auto vorstellt und verkauft, soll man auch erklären können, wie es korrekt geladen wird», so Kessler.

Kein «Recht auf Laden»
Die BKW Energie AG belegt den dritten Platz der führenden Energieversorger der Schweiz. Die Stromproduzentin und -lieferantin baut in der ganzen Schweiz Infrastruktur für E-Mobilität und ist Gesamtlösungsanbieterin (Konzept, Planung, Bau, Unterhalt, Energiemanagement, Zahlungssystem).

«In der Schweiz gibt es genügend Investoren für Ladeinfrastruktur», sagt Peter Arnet, Geschäftsführer E-Mobility. Aktuell sehe er jedoch noch einige Herausforderungen. «Die Politik handelt nach wie vor sehr zögerlich», sagt er.

Eine weitere Herausforderung sei, die «richtigen» Plätze zu finden – also Immobilieneigentümer, die den Bau einer Ladestation zulassen. Stellen sich die Eigentümer quer, haben Mieterinnen und Mieter in der Schweiz – anders als zum Beispiel in Deutschland – kein «Recht auf Laden». Und das Gros der Ladevorgänge erfolgt zuhause. Auf öffentliche Ladestationen angewiesen zu sein, bremst bei rund 60 Prozent Mieterinnen und Mieter in der Schweiz die E-Mobilität aus.

Rote Köpfe
An den öffentlichen Ladepunkten lauert das nächste Problem: das Zahlungs- und Abrechnungssystem. Dort herrschen grosse Preisunterschiede zwischen Anbietern. Oft existiert zudem Unsicherheit, wie viel die Ladung letztlich kosten wird. Die fehlende Preistransparenz sorgt ebenso für rote Köpfe wie die Vielfalt an Anbietern; Konsumenten müssen mehrere Apps auf ihrem Smartphone installieren; selbst übergeordnete Ladekarten decken nie alle Ladesäulen ab. «Wir gehen davon aus, dass in Zukunft das Laden durch Bezahlen mit der Kreditkarte einfacher wird», so Arnet.

Welche Art von Ladestation empfiehlt Peter Arnet Garagistinnen und Garagisten? «Elektromobilität wird kommen, und jede Garage muss sich damit beschäftigen und Lademöglichkeiten anbieten», ist Arnet überzeugt. Zudem werde dies bei Markenhändlern oft auch von den Herstellern verlangt. Sei der Platz vorhanden, müsse man sich fragen, ob man selbst investiere oder den Platz einem Investor anbiete. Und je nach Bedarf und Betrieb komme noch die Frage hinzu, ob man auf die «normalen», also langsamen AC-Lader oder doch lieber auf die teureren, schnellen DC-Ladestationen setzen soll.

Laden im ländlichen Raum
Agrola ist im Energie- und Mobilitätssektor tätig. Das Unternehmen bietet eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen an, darunter auch Tankstellen und Ladeinfrastruktur. «In Zusammenarbeit mit unseren Partnern, den regionalen Landi-Genossenschaften, betreiben wir derzeit 26 öffentliche Agrola-Standorte, die mit Ladesäulen zum schnellen oder beschleunigten Laden ausgestattet sind», sagt Andreas Maurer, Leiter Ladelösungen. «Darüber hinaus haben wir AC-Ladestationen in Tiefgaragen von Wohnimmobilien und in öffent­lichen Gebäuden umgesetzt. Auch im gewerblichen Flottenmanagement sind wir aktiv.»

Auch Andreas Maurer findet: «Positiv sind die Fördermöglichkeiten für die Installation von Ladestationen.» Bei der Umsetzung vor Ort seien unterschiedliche bauliche Vorgaben oder Abstimmungen mit den lokalen Elektrizitätsanbietern herausfordernd. Herausforderungen sehe er in den Installationspreisen bei Immobilien oder bei der Entscheidungsfindung mit Stockwerkeigentümern.

Garagistinnen und Garagisten empfiehlt Andreas Maurer generell Ladestationen mit einer Leistung von 30 bis 60 Kilowatt. Die meisten Fahrzeuge seien damit nach einer Stunde geladen. «Natürlich können bei Bedarf auch stärkere Systeme mit einer Leistung bis 400 kW installiert werden», so Maurer.
 
Serie Elektromobilität in der Garage (2/5)
Mit einer Artikelserie über verschiedene Aspekte der Ladeinfrastruktur greifen die AGVS-Medien die Thematik auf. Im zweiten Teil betrachten wir das Thema aus dem Blickwinkel der Energieversorger und Dienstleister. In den nächsten Ausgaben vervollständigen und vertiefen Experten aus Sicht der Nutzenden, der Behörden und der Garagen das Bild.
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