Wie lädt die Schweiz in Zukunft?

Tagung zur Roadmap Elektromobilität

Wie lädt die Schweiz in Zukunft?

24. Mai 2023 agvs-upsa.ch – Dass die Elektromobilität kommt, ist inzwischen unstrittig. Aber es bleiben heikle Punkte: Woher kommen die Ladesäulen und woher kommt der Strom? Die Roadmap E-Mobilität des Bundes – an der auch der AGVS beteiligt ist – zeichnete nun erstmals ein klareres Bild, wohin die Schweizer Lade- und Stromreise geht.

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Fachgespräche am Solarladepark: Jürg Grossen (l.), Nationalrat, GLP- und Swiss-E-Mo­bility-Präsident, und Delphine Morlier, Leiterin Mobilität des Bundesamtes für Energie (BFE). Fotos: AGVS-Medien

tpf. Nachts im Regen in einem düsteren Industriequartier: kein Dach, keine Toilette, ein kryptisches Bezahlsystem. Hier soll man also nun sein E-Auto laden? Die E-Mobilität kommt, und sie kommt schneller als gedacht. Modellangebot, Reichweiten und Immatrikulationen le­gen zu. Nur: Wo laden die rund 60 Bevölkerungsprozent Mieterinnen und Mieter? Wo kommt der Mehrstrom her? Und eben auch: Wieso sind die Ladestationen oft so trostlos, wieso darf man nicht per EC-Karte bezahlen? Gerade für Elektroanfänger sind dies echte Hürden.

Um diese Hürden drehte sich die jüngste Expertentagung zum ersten Jubiläum der zweiten Etappe der Roadmap Elektromobilität des Bun­des, getragen vom Bundesamt für Strassen (Astra) sowie dem Bundes­amt für Energie (BFE). An den Massnahmen und deren Ausarbeitung sind 51 Organisationen beteiligt, ob ABB oder Siemens, Post oder SBB, Swisscom oder Städteverband (SSV), ACS oder TCS, Auto-Schweiz – und der AGVS (siehe Box unter diesem Beitrag). Das Ziel, so Daniel Büchel, BFE-Vizedirektor für den Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien, laute: «Wir wol­len die Grundlage liefern, damit das Thema richtig angegangen wird.» Anders gesagt: Nicht alle Herausforderungen sind bewältigt, aber er­kannt. Es gilt, mit hochgekrempelten Ärmeln an die Arbeit zu gehen.

_artikelbild_daniel_buechel_bfe_1.jpgErläutert, dass die Roadmap Elektromo­bilität kein Förderprogramm ist, sondern Beteiligte vernetzen und Arbeitsgrund­lagen schaffen soll: Daniel Büchel, Leiter Energieeffizienz und erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energie (BFE).


Massiver Ausbau der Lademöglichkeiten

Dazu gehört Information. Gerade hat das BFE eine B2B-Webpage vol­ler Infos gestartet (siehe Link ganz unten). Obendrein gibt es einen Leit­faden für Immobilieneigner. Den braucht es auch: Je nachdem, wel­ches der drei aus den Erwartungen der Roadmap-Beteiligten vom BFE entworfenen Ladeszenarien eintrifft, könnten 14 bis 38 Prozent der Elektrofahrer 2035 nicht zuhause laden. Ein Vorstoss von Nationalrat, GLP- und Swiss-E-Mobility-Präsident Jürg Grossen, wie in Deutsch­land alle Vermietenden zur Genehmigung von Mieter-Ladewallboxen zu verpflichten, scheiterte im Bundesrat. Ergebnis: der Leitfaden. «Den Schweizer Weg», nennt dies Grossen, «wir haben uns danach zusam­mengesetzt.» Wie gewinnt man die Immobilieneigner? «Sobald wirt­schaftliche Gedanken wie Wiederverkaufswert ins Spiel kommen, wächst die Zustimmung», sagt Büchel.
 
Aktuell ist bereits gegen jede fünfte Neuzulassung ein Vollstromer, mehr als jede vierte ein Steckerfahrzeug (Batteriestromer oder Plug-in-Hybrid). Zwar ist der Bestand an Autos mit Stecker noch tief (Ende 2022 bei 3,6 Prozent). Aber auch, weil die Hersteller im Hinblick auf das EU-Verbrennerverbot 2035 das Verbrennerangebot ausdünnen, könnte sich das – die E-Fuel-Ausnahme der EU hin oder her – schnell ändern: Im Szenario des BFE tragen 2035 bereits 60 Prozent der Schwei­zer Autos einen Stecker; darunter überwiegend reine Elektroautos.

 

_artikelbild_claudio_pfister_ladepark_1.jpgTechnikvorführung: E-Mobile-Leiter Claudio Pfister zeigt den neuen Solarladepark des Fachverbandes Electrosuisse am Hauptsitz in Fehraltorf ZH. «Ein Solarpark im Geschäft ist auch ein Geschäft», sagt Pfister dazu.

Mehrstrombedarf höher als erwartet

Das heisst aber auch: In nur zwölf Jahren muss die Infrastruktur bereit sein. «Wann immer möglich, sollte man zuhause laden können», be­tont Delphine Morlier, Leiterin Mobilität beim BFE, «deshalb sollten bis 2035 zwei Millionen Heimladepunkte entstehen. Aber es wird 400’000 bis eine Million Menschen geben, die nicht privat laden kön­nen.» Dazu bräuchte es ja nach Szenario 19’000, 34’000 oder 84’000 öf­fentliche Ladestationen. Heute sind es etwas über 10’000, das Ziel für 2025 liegt bei 20’000, wie Alois Freidhof, Mobility Specialist beim BFE und Roadmap-Projektleiter, sagt. Kann das klappen? Abwarten: Auch die Zahl 10’000 geht auf eine 42-prozentige Steigerung alleine 2022 zurück. Das Zauberwort heisst, hört man den Roadmap-Experten zu, auch hier vor allem: Businessmodell! Sei Laden ein Geschäftsmodell, werde schnell die benötigte Dynamik kommen.
 
Doch weil die Elektrifizierung schneller kommt als einst prognosti­ziert, steigt auch der Strommehrbedarf. In Zahlen: Laut BFE 7,3 Ter­rawattstunden (TWh) 2035 für Stecker-Personenwagen, also stolze 4,1 mehr als einst in der Energiestrategie 2050 vom Bund angenom­men. «Was heisst das? Alarm?», fragt Büchel rhetorisch und führt aus: «Nein, denn der höhere Zuwachs hat Platz in unserer Energiestrategie. Das hatten auch wir zwar erst ein wenig unterschätzt. Aber: Jetzt sind wir gut unterwegs!» Zahlen deuteten an, wieviel sich tue. Beispiel Fotovoltaik: Alleine 2022 habe Sonnenstrom eine TWh zugelegt, ak­tuell liege der Zuwachs sogar bereits höher.

_artikelbild_alois_freidhof.jpgProjektleiter der Roadmap Elektromobilität: Alois Freidhof, Mobility Specialist beim Bundesamt für Energie, skizziert drei auf Basis der Erwartungen aller Roadmap- Beteiligten entworfene Zukunftsprognosen.


Laden muss im Alltag integrierbar sein

Aber eben: Am Schluss muss es im Alltag klappen. Hier kommt an dem Event Serge Petralito von der FHNW in Olten SO zu Wort zu dem, was wissenschaftlich User Experience heisst. Ganz behutsam formuliert Petralito: «Gewisse Angebote zielen möglicherweise an den Kunden vorbei.» Der Psychologe erläutert Beispiele: Technik, die ak­zeptiert werden wolle, müsse Selbstbestimmung erlauben (also Laden problemlos in den Alltag integrieren und stattfinden, wo man sich eh aufhält), sie müsse Vertrauen schaffen (die Ladepunkte-App, die einen besetzten Platz als frei anzeigt, hat zum Beispiel ihr Vertrauen schnell verspielt) und verlässlich sein: Das E-Auto müsse real wenigstens fast so schnell laden wie im Prospekt (in dem Elektroautos mit maximalen Ladeleistungen glänzen, die sie zwecks Akkuschonung im Alltag gar nicht durchgehend erreichen können).
 
Apropos Laden: Da der BFE-Event am Hauptsitz des Fachverbandes Electrosuisse in Fehraltorf ZH stattfand, erläutert Claudio Pfister als Leiter der Fachgesellschaft E-Mobile den dortigen neuen Ladepark. Der ist mit Fotovoltaik auch, aber nicht nur eine Art Lernplattform mit 22 verschiedenen Ladestationen aller Hersteller. Sondern demons­triert mit günstigem Solarstrom zum Laden von Elektroautos eben­falls, wie daraus ein Businessmodell entstehen könnte – vielleicht bald sogar auch bei Garagistinnen und Garagisten des AGVS.
 
Weitere Infos unter: laden-punkt.ch
 
Der AGVS fördert die Elektrokompetenz
Als namhafter Branchenplayer und Stimme des Autogewerbes ist der AGVS mit an Bord der Roadmap Elektromobilität. Zu den Massnahmen des AGVS zählt, die Aus- und Weiterbildung zu fördern, etwa mit vom BFE unterstützten Angeboten wie dem Webinar «Elektromobilität im Verkauf» oder dem Tageskurs «Verkaufs- und Beratungskompetenz von E-Fahr­zeugen und deren Ladeinfrastruktur». Das Ziel lautet, das Vertrauen der Kundschaft in die E-Mobilität zu fördern und die beste Beratung und Kundenzufriedenheit zu garantieren. Weitere Infos unter: agvs-upsa.ch/de/berufsbildung/agvs-business-academy
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