Schweizer Wasserstoff-Kongress 2024
Mit Wasserstoff allein ist es nicht getan
10. Mai 2024 agvs-ups.ch – Die Schweizer Wirtschaft wäre bereit, beim Thema Wasserstoff loszulegen. Vor allem im Mobilitätsbereich gibt’s einige spannende Projekte, aber da Strategie und oft auch Regulatorien fehlen, geht’s nur schleppend voran, wie der Schweizer Wasserstoff-Kongress 2024 zeigte. Jürg A. Stettler
Rund 200 Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik waren am Schweizer Wasserstoff-Kongress 2024 dabei.
Das Interesse der Wirtschaft – auch im Mobilitätsbereich – ist gross, Antworten bezüglich der Nutzung von Wasserstoff (H2) und dessen Rolle auf dem Weg hin zur Klimaneutralität bis 2050 zu erhalten. Denn Politik und Gesellschaft wollen, dass die Energieversorgung möglichst rasch «grüner» wird. Rund 200 Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik erörterten am Schweizer Wasserstoff-Kongress 2024 mögliche Lösungsansätze, und dies obwohl Laurent Scacchi, Direktor Westschweiz von Aeesuisse, gleich zum Auftakt klarmachte: «H2 ist keine Zauberlösung, aber nimmt eine wichtige Rolle auf dem Weg hin zur Klimaneutralität ein.»
Debatten müssten technologieoffen geführt werden, denn die Wissenschaft sehe nicht für alle Lösungen H2 als ideales und probates Mittel an. Für eine sichere Energieversorgung müssten sich zudem Versorgungsnetz, Speicherung und Transport von Energie ändern. «Hier warten wir bei den Kantonen schon fast ungeduldig auf die erste Wasserstoff-Strategie des Bundes», so Vassilis Venizelos, Staatsrat des Kantons Waadt: «Ein solcher Wandel muss koordiniert und überlegt erfolgen. Der Aufbau des H2-Netzes in Europa hat längst angefangen, und es ist wichtig, dass wir ebenfalls ein Teil davon sind. Dazu muss die Rolle des H2 im künftigen Energiesystem der Schweiz festgelegt werden, und es braucht Planungssicherheit und Regulatorien, die sich nicht alle paar Wochen oder Monate ändern.»
Anbindung an Hydrogen Backbone zwingend
Daniela Decurtins, Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie VSG, wies dann darauf hin, dass das Bewusstsein langsam Einzug in die Politik gehalten habe und es nicht nur Klimaneutralität brauche, sondern eben auch Versorgungssicherheit sowie die Wirtschaftlichkeit des Systems. «Wir brauchen alle erneuerbaren Energien und müssen Wasserstoff als Teil eines Gesamtenergiesystems betrachten. Wir werden Infrastruktur benötigen, und wir werden kurzfristige und auch saisonale Speicher brauchen», erläuterte sie. Inzwischen gebe es rund 40 Länder, die eine H2-Strategie haben, teils sogar eine revidierte, doch die Schweiz sei in Europa bezüglich Wasserstoff ein weisser Fleck.
«Immerhin arbeiten wir an einer Strategie. Sie soll Ende 2024 kommen und wird wichtig sein, um die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung festzulegen», ergänzte Decurtins. Selbst wenn beim Wasserstoff die Musik ausserhalb von Europa spielen werde, brauche es die Anbindung an die Transitleitung, den sogenannten Hydrogen Backbone. «Wir müssen eine Anbindung an die Importrouten für H2 haben», erklärte Daniela Decurtins. Man brauche aber auch eine Wasserstoffstrategie, «nicht eine losgelöste, sondern eine ins ganze Energiesystem integrierte!»
Daniela Decurtins, Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie, zeigte die Bedeutung von erneuerbaren Gasen wie Biogas und grünem Wasserstoff auf. Fotos: AGVS-Medien
Neben Hyundai bald auch Iveco und Scania mit H2-Antrieb
Wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten für Wasserstoff heute schon sind, offenbarte danach unter anderem Nicolas Crettenand. Der Geschäftsführer von Hydrospider bot Einblicke in das bereits seit dreieinhalb Jahren bestens funktionierende H2-Ökosystem, für das sein Unternehmen in Niedergösgen mit einem PEM-Elektrolyseur grünes H2 produziert und dieses in Containern zu den inzwischen 17 Wasserstoff-Tankstellen schweizweit transportiert. «48 Hyundai-LKW sind in der Schweiz damit klimaneutral unterwegs. Vier Iveco mit Wasserstoffantrieb werden dazukommen, ausserdem fahren einige LKW aus dem süddeutschen Raum zu uns zum Tanken.» Bald rollen zudem die ersten vier Scania-Brennstoffzellen-LKW in die Schweiz. Seit dem Produktionsstart 2020 hat Hydrospider bereits 850 Tonnen grünen H2 hergestellt. Damit spulten die Wasserstoff-LKW schweizweit über neun Millionen Kilometer ab und sparten gegenüber Diesel-Trucks 7200 Tonnen CO2 ein.
Bereits in der Umsetzung begriffen
Bis die H2-Strategie des Bundes kommt, wollten auch andere Unternehmen nicht warten. Patrick Sudan, Gruyère Hydrogène Power SA, zeigte etwa auf, dass Cluster-Lösungen, wo der Wasserstoff nicht über weite Distanzen transportiert wird, sondern ganz in der Nähe der Herstellung seine Abnehmer findet, durchaus spannend sein könnten. Zusammen mit dem in Bulle ansässigen Baumaschinen-Spezialisten Liebherr produziert man dort in der GESA-Fernwärmezentrale, die mit weiteren PV-Anlagen bestückt und um den H2-Komplex ergänzt wurde, bald H2. Denn Liebherr ist davon überzeugt, dass der Verbrennungsmotor eine sehr wichtige Antriebslösung im Schwer- und Off- Highway-Bereich bleiben wird, weil diese oft in teilweise recht batteriefeindlichen Regionen im Einsatz sein müssten. Und mit grünem H2 könnten auch diese schweren Baumaschinen klar klimafreundlicher arbeiten.
Wenn aus Holz auch Wasserstoff wird
Danach zeigte Benjamin Corbat von H2Bois, wie im Jura Nebenprodukte der Pelletproduktion und Altholz dazu genutzt werden, um dank eines Thermolyse-/Pyrolyse-Prozesses grünen Wasserstoff zu gewinnen. «Rund 1,4 Millionen Kubikmeter an Holz werden heute noch nicht genutzt», so Corbat. «Wir stellen aus Biomasse CO2 und H2 her, aber eben auch Pflanzenkohle. In dieser kann man ebenfalls sehr viel CO2 binden», erläutert der Jungunternehmer. «Wir haben bereits zwei Nutzer dieses H2 in unmittelbarer Nähe von Glovelier, wo ein H2-Cluster in zwei Zonen entstehen soll», ergänzt er.
Podium mit Moderatorin Nathalie Randin, Yorick Ligen (GreenGT), Jérémie Brillet (Romande Energie), Pierre-Alain Keutschy (Gaziers Romands) und Aline Clerc (Energiedirektorin Kanton Waadt) (v. l. n. r.).
Forschung mit Power-to-Gas-Anlage
Bei GreenGT entwickelt man in Collombey-Muraz VS nicht nur Brennstoffzellen-Lösungen, die beispielsweise bei der Migros schon in einem 40-Tonnen-LKW eingesetzt werden, sondern seit Jahren erfolgreich Wasserstoffantriebe für den Motorsport. In der Westschweiz tut sich bezüglich konkreter Projekte einiges, aber auch bei der Forschung: Hier spannten etwa der Energieversorger Gaznat und die ETH Lausanne zusammen. In einem Multi-Energie-Komplex in Aigle VD produziert eine Power-to-Gas-Anlage über einen Elektrolyseur synthetisches Methan, das im April nun offiziell ins Netz eingespeist wurde. Bei Wasserstoff tut sich auch ohne Strategie schon einiges, daher sollte man das Thema auch punkto H2-Mobilität weiter auf dem Radar haben.
Rund 200 Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik waren am Schweizer Wasserstoff-Kongress 2024 dabei.
Das Interesse der Wirtschaft – auch im Mobilitätsbereich – ist gross, Antworten bezüglich der Nutzung von Wasserstoff (H2) und dessen Rolle auf dem Weg hin zur Klimaneutralität bis 2050 zu erhalten. Denn Politik und Gesellschaft wollen, dass die Energieversorgung möglichst rasch «grüner» wird. Rund 200 Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik erörterten am Schweizer Wasserstoff-Kongress 2024 mögliche Lösungsansätze, und dies obwohl Laurent Scacchi, Direktor Westschweiz von Aeesuisse, gleich zum Auftakt klarmachte: «H2 ist keine Zauberlösung, aber nimmt eine wichtige Rolle auf dem Weg hin zur Klimaneutralität ein.»
Debatten müssten technologieoffen geführt werden, denn die Wissenschaft sehe nicht für alle Lösungen H2 als ideales und probates Mittel an. Für eine sichere Energieversorgung müssten sich zudem Versorgungsnetz, Speicherung und Transport von Energie ändern. «Hier warten wir bei den Kantonen schon fast ungeduldig auf die erste Wasserstoff-Strategie des Bundes», so Vassilis Venizelos, Staatsrat des Kantons Waadt: «Ein solcher Wandel muss koordiniert und überlegt erfolgen. Der Aufbau des H2-Netzes in Europa hat längst angefangen, und es ist wichtig, dass wir ebenfalls ein Teil davon sind. Dazu muss die Rolle des H2 im künftigen Energiesystem der Schweiz festgelegt werden, und es braucht Planungssicherheit und Regulatorien, die sich nicht alle paar Wochen oder Monate ändern.»
Laurent Scacchi, Direktor Westschweiz von Aeesuisse, konnte mit dem Schweizer Wasserstoff Kongress 2024 einen Erfolg verbuchen.
Anbindung an Hydrogen Backbone zwingend
Daniela Decurtins, Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie VSG, wies dann darauf hin, dass das Bewusstsein langsam Einzug in die Politik gehalten habe und es nicht nur Klimaneutralität brauche, sondern eben auch Versorgungssicherheit sowie die Wirtschaftlichkeit des Systems. «Wir brauchen alle erneuerbaren Energien und müssen Wasserstoff als Teil eines Gesamtenergiesystems betrachten. Wir werden Infrastruktur benötigen, und wir werden kurzfristige und auch saisonale Speicher brauchen», erläuterte sie. Inzwischen gebe es rund 40 Länder, die eine H2-Strategie haben, teils sogar eine revidierte, doch die Schweiz sei in Europa bezüglich Wasserstoff ein weisser Fleck.
«Immerhin arbeiten wir an einer Strategie. Sie soll Ende 2024 kommen und wird wichtig sein, um die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung festzulegen», ergänzte Decurtins. Selbst wenn beim Wasserstoff die Musik ausserhalb von Europa spielen werde, brauche es die Anbindung an die Transitleitung, den sogenannten Hydrogen Backbone. «Wir müssen eine Anbindung an die Importrouten für H2 haben», erklärte Daniela Decurtins. Man brauche aber auch eine Wasserstoffstrategie, «nicht eine losgelöste, sondern eine ins ganze Energiesystem integrierte!»
Daniela Decurtins, Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie, zeigte die Bedeutung von erneuerbaren Gasen wie Biogas und grünem Wasserstoff auf. Fotos: AGVS-Medien
Neben Hyundai bald auch Iveco und Scania mit H2-Antrieb
Wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten für Wasserstoff heute schon sind, offenbarte danach unter anderem Nicolas Crettenand. Der Geschäftsführer von Hydrospider bot Einblicke in das bereits seit dreieinhalb Jahren bestens funktionierende H2-Ökosystem, für das sein Unternehmen in Niedergösgen mit einem PEM-Elektrolyseur grünes H2 produziert und dieses in Containern zu den inzwischen 17 Wasserstoff-Tankstellen schweizweit transportiert. «48 Hyundai-LKW sind in der Schweiz damit klimaneutral unterwegs. Vier Iveco mit Wasserstoffantrieb werden dazukommen, ausserdem fahren einige LKW aus dem süddeutschen Raum zu uns zum Tanken.» Bald rollen zudem die ersten vier Scania-Brennstoffzellen-LKW in die Schweiz. Seit dem Produktionsstart 2020 hat Hydrospider bereits 850 Tonnen grünen H2 hergestellt. Damit spulten die Wasserstoff-LKW schweizweit über neun Millionen Kilometer ab und sparten gegenüber Diesel-Trucks 7200 Tonnen CO2 ein.
Nicolas Crettenand, Geschäftsführer von Hydrospider, sprach auch von den Herausforderungen bei der Nutzung von H2 für die Mobilität.
Bereits in der Umsetzung begriffen
Bis die H2-Strategie des Bundes kommt, wollten auch andere Unternehmen nicht warten. Patrick Sudan, Gruyère Hydrogène Power SA, zeigte etwa auf, dass Cluster-Lösungen, wo der Wasserstoff nicht über weite Distanzen transportiert wird, sondern ganz in der Nähe der Herstellung seine Abnehmer findet, durchaus spannend sein könnten. Zusammen mit dem in Bulle ansässigen Baumaschinen-Spezialisten Liebherr produziert man dort in der GESA-Fernwärmezentrale, die mit weiteren PV-Anlagen bestückt und um den H2-Komplex ergänzt wurde, bald H2. Denn Liebherr ist davon überzeugt, dass der Verbrennungsmotor eine sehr wichtige Antriebslösung im Schwer- und Off- Highway-Bereich bleiben wird, weil diese oft in teilweise recht batteriefeindlichen Regionen im Einsatz sein müssten. Und mit grünem H2 könnten auch diese schweren Baumaschinen klar klimafreundlicher arbeiten.
Wenn aus Holz auch Wasserstoff wird
Danach zeigte Benjamin Corbat von H2Bois, wie im Jura Nebenprodukte der Pelletproduktion und Altholz dazu genutzt werden, um dank eines Thermolyse-/Pyrolyse-Prozesses grünen Wasserstoff zu gewinnen. «Rund 1,4 Millionen Kubikmeter an Holz werden heute noch nicht genutzt», so Corbat. «Wir stellen aus Biomasse CO2 und H2 her, aber eben auch Pflanzenkohle. In dieser kann man ebenfalls sehr viel CO2 binden», erläutert der Jungunternehmer. «Wir haben bereits zwei Nutzer dieses H2 in unmittelbarer Nähe von Glovelier, wo ein H2-Cluster in zwei Zonen entstehen soll», ergänzt er.
Podium mit Moderatorin Nathalie Randin, Yorick Ligen (GreenGT), Jérémie Brillet (Romande Energie), Pierre-Alain Keutschy (Gaziers Romands) und Aline Clerc (Energiedirektorin Kanton Waadt) (v. l. n. r.).
Forschung mit Power-to-Gas-Anlage
Bei GreenGT entwickelt man in Collombey-Muraz VS nicht nur Brennstoffzellen-Lösungen, die beispielsweise bei der Migros schon in einem 40-Tonnen-LKW eingesetzt werden, sondern seit Jahren erfolgreich Wasserstoffantriebe für den Motorsport. In der Westschweiz tut sich bezüglich konkreter Projekte einiges, aber auch bei der Forschung: Hier spannten etwa der Energieversorger Gaznat und die ETH Lausanne zusammen. In einem Multi-Energie-Komplex in Aigle VD produziert eine Power-to-Gas-Anlage über einen Elektrolyseur synthetisches Methan, das im April nun offiziell ins Netz eingespeist wurde. Bei Wasserstoff tut sich auch ohne Strategie schon einiges, daher sollte man das Thema auch punkto H2-Mobilität weiter auf dem Radar haben.
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